Der Standard, 22. Juli 2010: Die Bildung in den Zeiten der Cholera (Julia Herrnböck, Saskia Jungnikl, u.a. mit Interview von Bernhard Keppler)
Beim dritten Budgetgipfel im Kanzleramt ging es um die Universitäten
Wien – „Die Regierung ist verdammt feig“: Mit diesem Kommentar versuchte die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) in Form von Inseraten die Entscheidungsträger wachzurütteln und Sympathie zu werben. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und sein Vize und Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) wurden am Montagabend mit diesem Vorwurf der Mutlosigkeit bei einem Gipfeltreffen konfrontiert.
Denn nach Religions- und Familienvertretern empfing die Regierungsspitze die Universitätenkonferenz (uniko) in Form der Uni-Rektoren und der ÖH in Sachen Budget. Mit dabei waren auch Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) und Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Bei dem Treffen ging es den Rektoren vor allem um die Finanzierung der Universitäten ab dem Jahr 2013. Sollte es bei den bisherigen Plänen bleiben, die eine reale Kürzung der Mittel vorsehen, drohen die Uni-Chefs mit dem Aussetzen der Mietzahlungen, Personalkürzungen und dem Streichen von Vorlesungen und Seminaren.
Gerald Bast, stellvertretender Vorsitzender der uniko, verglich das mit der Wahl zwischen „Pest oder Cholera“: Pest bedeute Kündigung, Cholera Zahlungsunfähigkeit. Dazu werde es kommen, wenn die Universitäten ab 2013 mit sinkendem Budget rechnen müssen. 300 Millionen Euro jährlich fehlen im Topf, um überhaupt den Status quo aufrecht erhalten zu können.
Der sieht – im internationalen Vergleich – schon jetzt nicht besonders rosig aus, wie Bernhard Keppler, Vorsitzender der Universitätsprofessoren, darstellt: „Die österreichischen Universitäten sind seit Jahren chronisch unterfinanziert.“ Dabei gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Zuschläge zu dem tatsächlichen Uni-Budget – allerdings reichte dieses nie aus. Ein Grund ist der Zuwachs an Studenten: Zwischen 2005 und 2009 stieg die Zahl der Studenten um 26 Prozent. Mit den vorgesehenen Budgeteinsparungen seien jegliche Zukunftsperspektiven wieder genommen worden, findet Keppler. Der Wettkampf um kluge Köpfe sei so niemals zu gewinnen. Keppler drückt es noch drastischer aus: „Wir können heilfroh sein, wenn die internationalen Forscher am Flughafen keine Zeitung lesen. Wenn sie von den drohenden Kündigungen und Finanzierungsproblemen lesen, fahren die doch woanders hin.“
Nicht ganz so dramatisch ist die Lage an den Fachhochschulen, zumindest noch nicht. Kurzfristig seien keine Personalfreisetzungen geplant, erklärte der frisch gewählte Präsident der Fachhochschul-Konferenz, Helmut Holzinger. Allerdings gelte dieses Zugeständnis nur bis 2013. Er sei überrascht von den geplanten Einschnitten im Bildungsbereich: „Solche Einsparungen wirken langfristig nach. Bildung bedeutet Zukunftsorientierung.“