Von 17. bis 19. Oktober 2019 war der UPV wieder Gastgeber der Trilateralen Tagung der deutschen, österreichischen und Schweizer Hochschulverbände. Der öffentliche Programmteil am 18. Oktober widmete sich im Festsaal der Universität Wien dem Thema Third Mission: Gesellschaftliche Verantwortung von Universitäten – Möglichkeiten und Grenzen.
Third Mission meint – neben den zwei Kernmissionen Forschung und Lehre von Universitäten – die Wirkung der Hochschulen in die Gesellschaft hinein. Universitäten hätten diese Aufgabe aber nicht erst mit Einführung des Begriffes erfüllt, betonte UPV-Vorsitzender Bernhard Keppler in seiner Eröffnungsrede, sondern schon immer und insbesondere in Form der Ausbildung kritischer, zum eigenständigen und wissenschaftlichen Denken fähiger AbsolventInnen.
Die österreichische Wissenschaftsministerin Iris Rauskala hob die Bedeutung von Bildung, Wirtschaft und Forschung als zentrale Treiber für Gesellschaftsentwicklung hervor. Die komplexen Herausforderungen der Gegenwart wie Klimawandel, Digitalisierung oder neue Technologien würden aber auch das Wirken der Universitäten und ihre Rolle verändern. Zur Bewältigung der neuen gesellschaftlichen Herausforderungen benötige es eine stärkere Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.
Heinz Engl, Rektor der Universität Wien, zeigte unter Verweis auf historische Beispiele, wie auch nicht intendierte Grundlagenforschung Third Mission leistet und gesellschaftlichen Fortschritt nährt. Heute gehe es bei der Third Mission u.a. darum, Rahmenbedingungen für jüngere ForscherInnen zu schaffen, die die dritte Mission als „karriererelevant“ ansehen lässt.
DHV-Präsident Bernhard Kempen unterstrich in seinen Begrüßungsworten die Rolle von Wissenschaft, Komplexität zu reduzieren, und bereits als „Subsystem der Gesellschaft in der Gesellschaft“ verankert zu sein. Wissenschaft dürfe aber nicht nur auf Nützlichkeitserwägungen reduziert werden.
Die Eröffnungsrunde schloss Gernot Kostorz, Generalsekretär des VSH, in Vertretung für Verbandspräsident Christian Bochet. Er unterstrich, dass beim Ausleben von Third Mission jede Universität in Freiheit ihren eigenen Weg finden müsse und dabei ihre Kernkompetenzen – Forschung und Lehre – nicht geschwächt werden sollten.
Barbara Schober,Third Mission Projekt der Universität Wien Ronald Maier, Vizerektor für Digitalisierung und Wissenstransfer der Universität Wien Manfred Schubert-Zsilavecz, Vizepräsident für Third Mission der Universität Frankfurt Stephan Morgenthaler, EPFL Lausanne und Mitglied des Schweizerischen Hochschulrats
Die Reihe der Vorträge eröffnete Barbara Schober, Dekanin der Fakultät für Psychologie und Ko-Leiterin des Third Mission Projekts der Universität Wien. Dieses Projekt wurde 2016 ins Leben gerufen. Aufbauend auf eine Erhebung bestehender Third Mission-Aktivitäten wurde ein forschungsgeleitetes Third Mission-Gesamtkonzept erarbeitet, das 2018 in seine zweite Phase gegangen ist.
In Zusammenhang damit steht auch die Einführung eines Vizerektorats für Digitalisierung und Wissenstransfer an der Universität Wien, dessen Leiter Ronald Maier seit 1. Oktober 2019 im Amt ist: Vizerektor Maier nannte u.a. die Professionalisierung des Technologietransfers, die Erschließung von Kommunikationswegen, die Institutionalisierung von Third Mission-Aktivitäten sowie die Nutzung der Digitalisierung als wichtige Meilensteine, um Wissensaustausch an der Universität Wien zu fördern.
Als ein Vorzeigebeispiel im Bereich Third Mission gilt die Goethe Universität Frankfurt am Main. Manfred Schubert-Zsilavecz, der für den Bereich zuständige Vizepräsident, unterstrich die Strategie der Universität, „gemeinsam mit und für die Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen“ – der Professionalisierung des Bereiches wie auch der Kommunikation komme dabei ein hoher Stellenwert zu, etwa bei Politikberatung und Technologietransfer, aber auch bei der Weiterbildung und der Interaktion mit der Bürgergesellschaft in der Stadt und Region. Für den Technologietransfer hat die Frankfurter Universität eine Tochtergesellschaft gegründet.
Stephan Morgenthaler, Professor der EPFL Lausanne und Mitglied des Schweizerischen Hochschulrats, berichtet u.a. über die Tätigkeit von Innosuisse, der Schweizerischen Agentur zur Innovationsförderung, die die Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft fördert, indem sie ForscherInnen in allen Phasen der Unternehmensgründung finanziell und beratend unterstützt.
Im zweiten Teil der Veranstaltung wurden erfolgreiche Third Mission-Projekte vorgestellt. Helmut Hlavacs (Universität Wien, Fakultät für Informatik) präsentierte ein Beispiel aus dem Third Mission Schwerpunkt Soziales Engagement der Universität. Die entwickelte App INTERACCT ist eine Art medizinisches Tagebuch in Echtzeit: Mit ihr können an Leukämie erkrankte Kindern in der kritischen Phase nach einer Blutstammzellentransplantation ihren Gesundheitszustand in spielerischer Form dokumentieren, wodurch die ÄrztInnen lebendbedrohende Krisen zeitgerecht abfangen können.
Aus dem Bereich des Technologie- & Innovationstransfers präsentierte Alexander Bismarck (Universität Wien, Fakultät für Chemie) Zellulosecontainer für Flugzeugessen ohne Plastikbeschichtung, die damit voll kompostierbar sind oder in einer Biogasanlage fermentiert werden können, wobei auch die Zellulose zur Wiederverwertung zurückgewonnen werden kann. Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten verspricht auch seine Forschung im Bereich von Verbundmaterialien, die sich unter Wärmeeinwirkung verformen können, um danach wieder in ihre ursprüngliche Form zurückzukehren.
Martin Raditsch, Geschäftsführer der Innovectis GmbH, der Tochtergesellschaft der Universität Frankfurt, skizziert den Aufgabenbereich seines Unternehmens: Die GmbH stelle die Verbindung zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen einerseits und der Wirtschaft andererseits her, ForscherInnen werden bei der Umsetzung ihrer Ideen unterstützt und somit entlastet, und der Industrie der Zugang zu für sie interessanten wissenschaftlichen Erkenntnissen erleichtert.
Zuletzt stellte Stephanie Heraus den von ihr initiierten und geleiteten Masterstudiengang Curatorial Studies vor, einen von mehreren praxisorientierter Lehrgängen der Universität Frankfurt im Bereich der Geisteswissenschaften: Pro Jahre werden gut ein Dutzend Studierende aufgenommen und gemeinsam mit der Städlschule sowie Museen in einem zweijährigen Lehrgang zu KuratorInnenen ausgebildet. Der Lehrgang entstand aus der Notwendigkeit, dem veränderten Berufsbild eines Kurators für Gegenwartskunst gerecht zu werden.
An der abschließenden Podiumsdiskussion beteiligten sich am Podium Martin Gerzabek (Präsident der Christian Doppler Forschungsgesellschaft und ehemaliger Rektor der Universität für Bodenkultur Wien), Anke Kahl (Prorektorin für Planung, Finanzen und Transfer der Universität Wuppertal), Elmar Pichl (Leitung Hochschulsektion des BMBWF), Veronika Somoza (Universität Wien, UPV) und Michael Wagner (Universität Wien, UPV); moderiert wurde die Diskussion von Barbara Schober.
Das wichtigste beim Transfer sei es, dass jede Universität ihren eigenen guten Weg finde und ihn so lebe, wie es für die Universität richtig ist, betonte Anke Kahl. In Wuppertal habe man die Strategien gemeinsam mit DekanInnen und interessierten ForscherInnen entwickelt, ein wesentlicher Baustein bei Transferaktivitäten sei auch die Einbindung in die Region.
Elmar Pichl sieht Third Mission als Teil der Ausdifferenzierung der universitären Arbeitswelt, es gelte Existierendes systematisch zu analysieren und Aktivitäten systematisch zu fördern. Hier seinen Profis vonnöten, die die ForscherInnen unterstützen.
In den USA habe sie Wissen als ein hoch geschätztes gesellschaftliches Gut erlebt, berichtet Veronika Somoza. „Universitäten müssen vermitteln, dass Wissen von großem Wert ist“, betonte sie. Um entsprechende Strategien entwickeln zu können, sei es wichtig, die Stärken der Universität zu analysieren und das Profil zu schärfen. Der Transfer selbst könne dann auf verschiedene Art erfolgen, mittels einer externen GmbH oder eines internen Büros für Technologietransfer.
Martin Gerzabek betonte nochmals die Bedeutung der Grundlageforschung, aus der sich alles Weitere ergebe, der Kontakt mit der Industrie könne aber in beide Richtungen befruchtend wirken. Die Christian Doppler Forschungsgesellschaft gebe Kooperationen zwischen Universitäten und Industrie einen stabilen rechtlichen und finanziellen Rahmen, die Rückmeldungen aus der Industrie für dieses Modell seien ausgezeichnet.
Michael Wagner betonte, dass es die Kernaufgabe der Universitäten sei, „das Wissensfundament zu erweitern, auf dem jede Innovation basiert“ – Innovation und gesellschaftliche Relevanz seien weder planbar noch vorhersehbar. Zu viel Einfluss der Industrie würde den Freiraum gefährden, den Universitäten benötigen.
Es gab einige Wortmeldungen dazu, dass das Konzept der Third Mission nicht trennen dürfe, was eigentlich zusammengehöre: die Forschung und ihre Wirkung in die Gesellschaft und verwertbares Wissen als Gegensatz zu wertvollem Wissen könne nicht Aufgabe der Universitäten sein. Auch die ethische Verantwortung von Universitäten, z.B. bei der Wahl von Industriepartnern, wurde angesprochen. Einig war man sich weitgehend, dass Third Mission mehr bedeutet als Technologietransfer. Im Weiteren diskutiert wurden die Frage der Einbindung von Third Mission in die Leistungsbeurteilung bei Einzelpersonen und Universitäten, die nachhaltige Gestaltung von Third Mission, Möglichkeiten und Gefahren der Bürgerbeteiligung sowie die Rolle der Geisteswissenschaften bei Third Mission Aktivitäten.
Links und Downloads:
- Vortrag Barbara Schober
- Vortrag Ronald Maier
- Vortrag Stephan Morgenthaler
- Helmut Hlavacs: INTERACCT (Video), Vortrag
- Alexander Bismarck: „Pappbehälter ohne Plastik“ (Video), Vortrag
- Vortrag Martin Raditsch
- Veranstaltungsprogramm
- Wege, Möglichkeiten, Grenzen für Third Mission an Universitäten, APA-OTS 8.10.2019
- „Jede Uni muss ihren Weg finden“ , uni:view Magazin, 23.10.2019
Bericht: Lena Yadlapalli & Veronika Knoll
Fotos: Joseph Krpelan (www.derknopfdruecker.com)