Bernhard Keppler in science.ORF.at zur Situation der Universitäten in der Corona-Krise.
Die Coronaviruskrise hat die österreichischen Universitäten fast von einem auf den anderen Tag vor die immense Herausforderung gestellt, zu schließen, Forschungsinfrastrukturen nur noch bis auf das Nötigste betreuen zu lassen und die Lehre komplett auf home-learning umzustellen. Das war ein Kraftakt eines bis dato unbekannten Ausmaßes, dem mit viel Engagement von Universitätsleitungen, Professorinnen, Forscherinnen und Lehrpersonal sowie Verwaltung auch entgegengetreten wurde.
Auch wenn die weitere Pandemie-Entwicklung noch unsicher ist und die Einführung digitaler Formate auch ganz allgemein vor dem Hintergrund bisweilen bestehender Ressourcenknappheit (u.a. bei Hörsälen und Lehrräumen, Platzangebot in Kursen etc.) besonders attraktiv erscheint, dürfen die Universitäten in Folge nicht zu Fernunis mutieren. Es braucht ein klares Bekenntnis zum Präsenzbetrieb – über die Coronavirus-Krise hinaus, im Rahmen dessen Online-Lehre nur eine Ergänzung sein kann.
In den Studienrichtungen der Naturwissenschaften, Technik und Medizin war von vornherein klar, dass Übungen und Praktika nicht ins home-learning verlegt werden können – und damit ausfallen. Um den Studierenden ihr Fortkommen bestmöglich zu ermöglichen, wurden an vielen Fakultäten des Landes selbstverantwortlich und engagiert alle Weichen gestellt, um praktische Lehre nun im Sommer anzubieten. Es wird dieses Jahr kein „Sommerloch“ geben: So finden z.B. an der Fakultät für Chemie der Universität Wien alle relevanten Praktika der verschiedenen Studiengänge und unter Einsatz aller Lehrkräfte über die Semesterferien beginnend mit Juli bis Ende September statt. Eine öffentliche und politische Anerkennung ihres Einsatzes ist nur wünschenswert.
Um künftig – und auch bereits im Wintersemester – schneller, transparenter und effizienter auf aktuelle Entwicklungen und Eventualitäten reagieren zu können, wären aufbauend auf die bisherigen lessons learned differenzierte Handlungskonzepte der Universitätsleitungen für verschiedene Szenarien hilfreich. So fehlen derzeit noch klare Optionen, wie im Fall von Infektionsclustern, die sicher in lokalen Bereichen entstehen können, schnell und möglichst risikofrei reagiert werden kann.– und in welchen Teilen die Unis im Winter bereits wieder Richtung „Normalität“ zurückkehren können, besonders vor dem Hintergrund steter Lockerungen im Alltag. Hier könnten umfangreiche Testungen des Personals eine große Rolle spielen.
Die kurzfristige und erzwungene Umstellung auf digitale Formate hat aber sicherlich auch gezeigt, dass es im internationalen Austausch zwischen Forscher*innen Potenziale für mehr Nachhaltigkeit gibt, die angesichts von gesellschaftlichen Herausforderungen auch weiterhin nicht zu vernachlässigen sind.
Zitiert in: sience.ORF.at, 03.07.2020: Kritik an Onlineumstellung an den Unis