Stellungnahme des UPV zum Entwurf des Bundesgesetzes über die Gründung der interdisziplinären Technischen Universität für Digitalisierung und digitale Transformation
Der Verband der Professorinnen und Professoren der österreichischen Universitäten (UPV) steht dem Projekt der Neugründung einer interdisziplinären Technischen Universität für Digitalisierung und digitale Transformation kritisch und mit großer Sorge hinsichtlich der Auswirkungen auf die öffentlichen Universitäten gegenüber. Die Kürze der Begutachtungsfrist lässt darauf schließen, dass es sich um ein (partei-)politisch begründetes Projekt handelt, sodass den sachlichen Argumenten in der Begutachtung wenig Bedeutung beigemessen werden wird. Aus universitätspolitischer Verantwortung nimmt der UPV trotzdem – soweit innerhalb der kurzen Frist möglich – Stellung:
Bereits die Notwendigkeit einer solchen Neugründung ist nicht nachvollziehbar. Keiner der in der zitierten WIFO-Analyse genannten Indikatoren lässt sich in direkter Weise durch eine Gründung einer neuen Universität für Digitalisierung verbessern. Von der WIFO angeführt werden im Wesentlichen technische Mängel, z.B. in der Bereitstellung eine Nachfragelücke beim Festnetz Breitband mit unzureichendem Ausbau. Bei den digitalen Fertigkeiten hingegen wird Österreich als gut positioniert bzgl. IKT-Fachkräften und MINT Absolventinnen positiv hervorgehoben, wobei eine eher geringe private Internetnutzung zahlreicher Dienste durch die Österreicherinnen und geringe Verbreitung von Cloud-Diensten als Mangel angeführt werden. Es wird als Fazit erwähnt: „Auffälligste Ursache für den Rückstand ist die im internationalen Vergleich geringe Nachfrage der privaten Haushalte für neue digitale Anwendungen, insbesondere solche für Freizeit und Unterhaltung sowie jene die von der öffentlichen Verwaltung zur Vereinfachung administrativer Abläufe angeboten werden.“ Der UPV bezweifelt, dass sich diese Mängel durch eine Universität für Digitalisierung und digitale Transformation beseitigen lassen, da es sich hierbei um kein Defizit an Forschung handelt, sondern an Bereitstellung und Entscheidungen.
Die Neugründung einer Universität bindet zudem Ressourcen, die großteils eine Dopplung bestehender Verwaltungsinfrastruktur bedeuten. Gleichzeitig wird die Unterfinanzierung der Forschungsförderung weiter verschärft, vor allem nach der Rekrutierung einer hohen Anzahl neuer Professorinnen in den letzten Jahren, die an Österreichs Universitäten aufgrund der eklatant schlechten Betreuungsrelationen notwendig war, aber ohne vergleichbaren Aufwuchs der nationalen Forschungsmittel erfolgte. Angesichts der Inflation und steigenden Energiekosten infolge von Pandemie und Ukraine-Krieg ist davon auszugehen, dass die Gründung einer zusätzlichen Universität zu einer faktischen Kürzung der Mittel der bestehenden Universitäten führen wird. Zudem sind die österreichischen Universitäten bereits intensiv in die vom Ministerium initiierte Digitalisierungsinitiative involviert und arbeiten daran, die digitale Transformation in Österreich weiterzutreiben. Grundlegende Weichen werden hier gestellt sein, bevor die neue TU Oberösterreich effektiv tätig werden kann. Es wäre daher deutlich zu bevorzugen, bestehende Infrastruktur der bereits existierenden Universitäten zu stärken und bei entsprechendem Bedarf neue Stellen an diesen zu schaffen. Nicht zuletzt ist eine derartige Zersplitterung auch wenig geeignet, die Positionen österreichischer Universitäten in internationalen Rankings zu verbessern.
Der UPV spricht sich insbesondere gegen eine Gründung dieser Technischen Universität außerhalb des UG 2002 aus. In jedem Fall sollte die neue Universität in den Geltungsbereich des UG fallen. Auch dass der Kollektivvertrag für die Arbeitnehmerinnen der Universitäten keine Anwendung finden soll, wäre eine eklatante Abweichung von nationalen Maßstäben – zumal das UG 2002 eingeführt wurde, um Weltklasse-Universitäten zu schaffen.
Eine Universität für Digitalisierung und digitale Transformation kann zudem ohne Einbindung in ein größeres Gesamtkonstrukt (Volluniversität) mit diverser Fächerkultur interdisziplinäre Forschungsleistung nur durch externe Kooperation erbringen. Digitalisierung ist nicht per se im Alleingang interdisziplinär, sondern nur, wenn sie in Synergie mit anderen Disziplinen betrieben wird. Dies kann beispielsweise Machine Learning zu Bewältigung physikalischer, chemischer, biologischer, soziologischer oder wirtschaftswissenschaftlicher Fragestellungen und Probleme sein. Es bedarf aber unbedingt einer Anbindung an die entsprechenden Forschungsschwerpunkte. So lebt z.B. die Bioinformatik von der Verknüpfung mit angewandter, experimenteller biologischer, biochemischer, biophysikalischer und medizinischer Forschung. Ohne die passenden Schwerpunkte in den entsprechenden Grundlagen- und Experimentalwissenschaften kann keine vernünftige Bioinformatik betrieben werden. Um dem Aspekt der biologischen, und damit evolutionären, Konsequenzen der digitalen Transformation gerecht zu werden, ist es ebenfalls notwendig, Expert*innen aus dem Bereich der Biologie miteinzubeziehen. Auch eine im Bundesgesetzvorschlag über die Gründung erwähnte „Verbindung der transformativen Dimension der Digitalisierung mit der Auseinandersetzung mit Klimakrise“ ist nur dann zielführend, wenn exzellente Forschung in den Bereichen der Klimaforschung, Geowissenschaften, Ökologie, Mikrobiologie etc. an einem Forschungsstandort bereits vorhanden ist. Insofern sollten derartige Forschungsvorhaben am ehesten vor Ort und in Synergie mit den jeweiligen Fachdisziplinen an bestehenden Forschungsinstitutionen umgesetzt werden. Die Bezeichnung „Universität“ beinhaltet eine Vielfalt der Fächer, die im vorliegenden Entwurf nicht gegeben ist.
Der UPV ist daher der (oben begründeten) Meinung, dass die offenen Fragen insbesondere bzgl. Finanzierung, fachlicher Ausrichtung und Einbindung der geplanten Universität in die bestehende Universitäts- und Forschungslandschaft zuerst befriedigend geklärt sein müssen, bevor dieses Projekt weiter vorangetrieben werden kann.
Das Präsidium des Verbands der Professorinnen und Professoren
der österreichischen Universitäten (UPV)