Stellungnahme des Verbands der Professorinnen und Professoren der österreichischen Universitäten (UPV) zum Entwurf eines Bundesgesetzes über das Institute of Digital Sciences Austria
Grundlegende Bedenken hinsichtlich der wissenschaftlichen und ökonomischen Sinnhaftigkeit der Gründung einer neuen Universität, um Defizite im Bereich Digitalisierung zu beheben, hat der Verband der Professor:innen der österreichischen Universitäten (UPV) bereits 2022 in seiner Stellungnahme anlässlich des Begutachtungsverfahrens des Gründungsgesetzes vorgebracht. Förderung und interdisziplinäre Umsetzung der Digitalisierung ließen sich effizienter, schneller, sinnvoller und nicht zuletzt kostengünstiger an den bereits bestehenden Universitäten mit ihrer breiten Fächervielfalt und Expertise umsetzen.
Der nun vorliegende Entwurf des Bundesgesetzes über das Institute of Digital Sciences Austria – inzwischen Interdisciplinary Transformation University – zerstreut diese Bedenken nicht. Ganz im Gegenteil ruft er zudem gravierende Befürchtungen hinsichtlich der praktischen und qualitativen Umsetzung des Projektes hervor.
Die Vertretung der Professor:innen in den Leitungsorganen der Universität ist ein zentrales Anliegen des UPV, und diese ist im vorliegenden Entwurf völlig unzureichend gegeben. Die Universitätsversammlung ist als drittes Leitungsorgan formal analog zum Senat im UG konzipiert, allerdings wurden ihr sämtliche Kompetenzen entzogen, einschließlich nicht zuletzt einer Beteiligung bei der Wahl des/der Präsident:in. Dieses Leitungsorgan wird damit auf nahezu ausschließlich beratende Funktion reduziert, was für sich genommen bedenklich genug ist. Die Möglichkeit der Repräsentanz der Professor:innen in einer entscheidenden Funktion ist somit nur durch die drei Mitglieder, die von der Universitätsversammlung in das Kuratorium entsendet werden, gegeben. Garantiert ist sie damit allerdings nicht. Während die Vertreter:innen der Gruppe der Professor:innen im UG 2002 die Hälfte der Senatsmitglieder ausmachen, sind 12 der 21 Mitglieder der Universitätsversammlung aus der Gruppe des „wissenschaftlichen und künstlerischen Stammpersonals“ zu wählen (§ 11 Abs. 1). Dieses setzt sich zusammen aus den „Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren“ sowie „Personen ab Post-Doc-Qualifikation, die in einem Dienstverhältnis zur Universität mit einem Beschäftigungsausmaß von mindestens zu 50vH stehen“. Da in der universitären Praxis die Anzahl der Postdoc-Stellen jene der Professuren üblicherweise deutlich übersteigt, sieht der UPV hier die Gefahr, dass es allein aufgrund des Zahlenverhältnisses zu einer Minimierung des ohnehin schon stark reduzierten Einflusses der Professor:innen kommt. § 10 Abs. 4 ist in den Augen des UPV ebenfalls nicht ausreichend, um die Vertretung der Professor:innen im Kuratorium zu garantieren.
Der UPV fordert daher eine stärkere Einbindung der Universitätsversammlung in universitäre Entscheidungsprozesse. Analog zum UG 2002 § 25 Abs. 3a ist die Hälfte der Mitglieder der Universitätsversammlung aus der Gruppe der Universitätsprofessor:innen zu besetzen. Soll die Universitätsversammlung 21 Mitglieder haben, sind 11 davon aus der Gruppe der Universitätsprofessor:innen. Die drei in das Kuratorium zu entsendenden Mitglieder der Universitätsversammlung sind aus den Reihen der Universitätsprofessor:innen zu wählen.
Des Weiteren sieht der Entwurf vor, dass 5 von 21 Vetreter:innen in der Universitätsversammlung aus der Gruppe des allgemeinen Personals kommen sollen. Sofern es sich bei dem Verweis auf § 22 Abs. 2 Z 3 nicht um einen Irrtum handelt, stellt sich bei selbstverständlich hoher Wertschätzung guter Verwaltung die Frage, mit welcher Begründung dem allgemeinen Personal hier eine deutlich stärkere Rolle eingeräumt werden soll als im UG 2002. Reflektiert dies die reduzierte Rolle der Universitätsversammlung gegenüber dem Senat, oder will man – mangels Vertrauens in die eigenen Berufungsprozesse? – selbst in einem bereits fast ausschließlich auf beratende Funktion reduziertem Leitungsorgan die Rolle der Professor:innen weiter minimieren? Sind diese Sitze de facto für Vertreter:innen aus dem Verwaltungsapparat des/der Präsident:in vorgesehen?
Dem Konzept einer Vertretung der Universität in einem Leitungsorgan entsprechend dem Universitätsrat steht der UPV nicht prinzipiell ablehnend gegenüber. Dies wird an deutschen Universitäten teilweise praktiziert und kann eher zu einem kooperativeren Verhältnis der Leitungsorgane führen als unter den Bestimmungen des UGs, die Antagonismus fördern.
Über diese zentralen Probleme hinaus gibt es im Entwurf des Bundesgesetzes oft schwammige Formulierungen, die starke Zweifel an der Qualität der Umsetzung des Projektes aufkommen lassen. Anzuführen sind hier u.a.:
- Keinerlei Qualitätsstandards bei der Berufung von Professor:innen. Während im UG allein das Berufungsverfahren nach § 98 in 13 Absätzen geregelt ist, sieht der vorliegende Entwurf lediglich eine jedenfalls EU-weite Ausschreibung mit einer Ausschreibungsfrist von mindestens vier Wochen vor (§ 22 Abs. 4), danach ist der der/die Präsident:in offenbar berechtigt, allein über Besetzungen zu entscheiden und Verträge abzuschließen. Weder ist die Hinzuziehung weiterer Organe oder Gremien vorgesehen, noch die Involvierung internationaler Gutachter:innen.
- Für die Leistungsvereinbarung sind im Gegensatz zum UG 2002 lediglich „Mindestinhalte“ festgelegt (§ 15 Abs. 3), und diese können schlussendlich „einvernehmlich abgeändert werden“ (Abs. 4), was das gesamte Konzept ad absurdum führt.
- Es muss keine Wissensbilanz erstellt werden; im Gegensatz zu den anderen Verordnungen zu Rechnungswesen und Meldepflichten ist auch die WBV nicht anzuwenden.
- Auch die Formulierung in § 5 Abs. 1 („Die Rechtsbeziehungen zwischen der Universität und ihren Studierenden sind privatrechtlicher Natur.“) in Verbindung mit der Berechtigung Studiengebühren einzuheben sofern diese „sozial verträglich gestaltet“ sind (§ 4 Abs. 4), lässt befürchten, dass hier wissenschaftliche Qualität dem Konzept der Universität als Unternehmen geopfert wird, um die finanzielle Belastung und die Haftung durch die Neugründung für den Bund zu reduzieren.
Ganz grundsätzlich ist die Frage zu stellen, warum diese Universität, deren Gründung entgegen der von vielen Seiten geäußerten Bedenken politisch gewollt zu sein scheint, eines eigenen Gesetzes bedarf. Wenn die Bundesregierung und das BMBWF das UG 2002 für ungeeignet halten, um die gewünschten Ziele auf entsprechend hohem Niveau zu realisieren, wäre eine Reform des UGs zu diskutieren. Es verheißt wenig Gutes, dass mit dem vorliegenden Entwurf des Gesetzes der Interdisciplinary Transformation University einerseits die Wettbewerbsstandards gegenüber den öffentlichen Universitäten verzerrt und andererseits die Qualitätsstandards des UG 2002 deutlich unterschritten werden. Offensichtlich wird hier die Qualität der Eile geopfert, das Projekt noch vor den Nationalratswahlen im Herbst 2024 zu realisieren (vgl. Der Standard, 27.11.2023, Ausschreibung erster Professorenstellen 2024, erstes Doktoratsstudium im Herbst 2024, erster Master-Lehrgang im Herbst 2025).
Der UPV spricht sich daher weiterhin entschieden gegen diese unüberlegte und übereilte Neugründung in einer finanziell angespannten und geopolitisch unsicheren Lage aus. Vielmehr wäre dafür Sorge zu tragen, dass die bestehenden Universitäten adäquat ausgestattet und Mittel für exzellente forschungsgeleitete Lehre bereitgestellt werden. Bereits jetzt reichen aufgrund von Inflation und Kostensteigerung Fördersummen kaum noch aus, um exzellente und disruptive Forschung voranzubringen. In einer solchen Lage noch weitere Bundesmittel zu binden, halten wir für höchst problematisch.
Das Präsidium des Verbands der Professorinnen und Professoren
der österreichischen Universitäten (UPV)