ProfessorInnen stellen Bologna-Prozess schlechtes Zeugnis aus: Nur ein geringer Anteil der ProfessorInnen sieht die Ziele des Bologna Prozesses, wie kürzere Studiendauer, frühere Arbeitsmarktintegration der Studierenden als erreicht an. Relativ viele beobachten jedoch Nachteile für die universitäre Lehre und eine erhöhte Bürokratie als Folge.
Vor 20 Jahren nahm der Bologna-Prozess mit der Unterzeichnung der Sorbonne-Deklaration zur Schaffung des europäischen Hochschulraumes seinen Anfang. Die von der Politik gesetzten Maßnahmen, um die universitäre Ausbildung europaweit anzugleichen sowie die Mobilität von Studierenden und die arbeitsmarktmarktbezogene Qualifizierung zu verbessern, haben nur wenig Vorteile für das Studium und die Lehre an den Hochschulen gebracht. So lautet das Fazit einer Studie des UniversitätsprofessorInnen-Verbandes (UPV), im Rahmen derer ProfessorInnen zum Bologna-Prozess befragt wurden.
Knapp drei Viertel der Befragten stimmten der Aussage zu, dass der Bologna-Prozess zu mehr Bürokratie an der Hochschule geführt hat. Hingegen nur eine Minderheit teilte die Auffassung, dass durch Bologna die durchschnittliche Studiendauer verringert wurde (37 Prozent), viele Studierende nach einem Bachelor-Abschluss das Studium beenden (37 Prozent) und Studierende früher in den Arbeitsmarkt integriert werden (31 Prozent). Insbesondere auffällig ist, dass nur 18 Prozent der Aussage zustimmten, dass Studienprogramme leichter auf die Anforderungen dynamischer Arbeitsmärkte reagieren können.
Auch in Bezug auf die Lehre überwiegt unter den UniversitätsprofessorInnen die Kritik: Die Mehrheit konnte sich nicht der Aussage anschließen, dass die Transparenz in der Lehre erhöht worden sei oder mehr Selbstständigkeit unter den Studierenden gefördert würde (nur 10 Prozent Zustimmung). Auch die mit Bologna intendierte Weiterentwicklung der Kompetenzen der Studierenden sahen nur 20 Prozent als erfüllt an. Über 60 Prozent meinten aber, dass Bologna zu einem erhöhten Prüfungsausmaß bei Studierenden wie auch ProfessorInnen geführt habe. Nur in den Wirtschaftswissenschaften bewerteten die Befragten mehrheitlich positiv, dass der Bologna-Prozess zu einem erweiterten Lehrangebot geführt habe.
In Bezug auf die Mobilität von Studierenden fiel das Urteil milder aus: Immerhin rund die Hälfte der Befragten stimmten zu, dass der Bologna-Prozess die Vergleichbarkeit und Anerkennung von Studiengängen an anderen Hochschulen erleichtert hat (52 Prozent) und den Wechsel des Studienortes sowie die Mobilität der Studierenden besser ermöglicht (jeweils 57 Prozent). Die verbesserte Mobilität wurde dabei vor allem in den Natur-und Ingenieurwissenschaften gesehen, während die Befragten in den Geistes- und Kulturwissenschaften mit 64 Prozent wie auch in den Rechtswissenschaften mit 60 Prozent dem nicht oder nur wenig zustimmten.
Wie Bernhard Keppler und Christiane Spiel feststellen „sind die Ziele und Intentionen des Bologna-Prozesses ohne Zweifel zu unterstützen. Aber die Umsetzung, bei der Geschwindigkeit und Kostenneutralität zulasten der Qualität im Vordergrund standen, ist nicht ausreichend gelungen. Hier gilt es entsprechende Schritte zu setzen. Der UPV, dem Qualität in Forschung und Lehre ein hohes Anliegen ist, wird sich dabei gerne einbringen.“
Vor 20 Jahren, am 25. Mai 1998, unterzeichneten die Bildungsminister aus Deutschland, Frankreich, Italien und dem vereinigten Königreich die Sorbonne-Deklaration und unterstrichen damit die Schaffung des europäischen Hochschulraumes als Schlüssel zur Förderung von Mobilität und arbeitsmarktbezogener Qualifizierung. Dies läutete den Bologna-Prozess ein, der im Juni 1999 dann durch die Bologna-Erklärung weiter vorangetrieben wurde.
Presseecho:
- APA Science, 3.8.2018: Professoren sehen Bologna-Prozess an Unis kritisch
- Der Standard, 3.8.2018: Professoren sehen Bologna-Prozess an Unis kritisch
- Science ORF, 3.8.2018: Professoren sehen Bologna-Prozess kritisch
- Tiroler Tageszeitung, 3.8.2018: Uni-Professoren überwiegend kritisch zu Bologna-Prozess
- Addendum, Ausgabe 2 (2019): Der Weg nach Bologna