Welche Ressourcen brauchen Universitäten und ForscherInnen? Österreich, Deutschland und Schweiz im Vergleich.
Die Ressourcen der Universitäten sind seit Jahrzehnten ein Reizthema in der wissenschaftspolitischen Diskussion und sind in den drei Ländern sehr unterschiedlich strukturiert und verteilt. Die öffentliche Veranstaltung im Rahmen der Trilateralen Tagung des Österreichischen Universitätsprofessor/innenverbands (UPV), Deutschen Hochschulverbands (DHV) und der Vereinigung der Schweizerischen Hochschuldozierenden (VSH) am 4. November 2016 im Großen Festsaal der Universität Wien widmet sich dieser Frage.
Die Tagung an der Universität Wien wird vom Vorsitzenden des UPV Bernhard Keppler und vom Vizekanzler und Bundesminister Reinhold Mitterlehner eröffnet. Reinhold Mitterlehner verwies auf die wesentlich bessere Grundausstattung der Universitäten in Deutschland und der Schweiz. Einer Exzellenzinitiative in Österreich steht Mitterlehner eher skeptisch gegenüber – selbst wenn das Geld dafür vorhanden wäre. Er sieht dabei vor allem „Konkurrenzprobleme“, etwa aufgrund der Alleinstellung mancher Hochschulen wie der Veterinärmedizinischen Universität, der Montanuniversität und der Universität für Bodenkultur. „Es würden wieder die das Geld bekommen, die es auch jetzt schon bekommen.“ Er halte es daher für richtig, Schwerpunktaktivitäten über den Wissenschaftsfonds FWF zu fördern.
Einführenden Worte von der Vorsitzenden des Universitätsrat der Universität Wien, Eva Nowotny, Vizerektor Heinz Faßmann, sowie dem Präsidenten des Deutschen Hochschulverbandes Bernhard Kempen und dem Präsidenten der Vereinigung der Vereinigung der Schweizerischen Hochschuldozierenden Christian Bochet.
Vortrag von Jürgen Zöllner, Senator für Bildung und Wissenschaft des Landes Berlin a.D., Vorstand der Stiftung Charité „Deutschland kann nur Vorbild sein, wenn es seine Probleme löst“
Sichtbarkeit Deutschlands erhöht
Die auch in Österreich immer wieder als Vorbild zitierte Exzellenzinitiative habe die internationale Sichtbarkeit Deutschlands erhöht, so Zöllner. „Aber auf das entscheidende Problem, die Grundfinanzierung, ist damit nicht eingegangen worden.“ Derzeit werden in Deutschland rund 30 Mrd. Euro für Hochschulen ausgegeben, wovon rund 24,5 Mrd. auf die Länder und 5,5 Mrd. auf den Bund entfallen.
Aus dem Entwicklungshilfebudget in die Budgets der Universitäten
Zöllner will die Grundfinanzierung um fünf bis sechs Milliarden Euro pro Jahr anheben. Dazu sei ein Maßnahmenbündel nötig: So müsse etwa der Bund einen „Köder“ auswerfen und eine Milliarden Euro zur Stärkung der Lehre direkt den Hochschulen geben. So sollten etwa die echten Ausbildungskosten für StudentInnen aus Entwicklungsländern übernommen werden – so könnten diese Mittel aus dem Entwicklungshilfebudget in die Budgets der Unis fließen.
Von Unis an Fachhochschulen?
Außerdem solle der Bund eine Milliarden Euro an Investitionskosten für Informations- und Kommunikationstechnik finanzieren. Eine weitere – auch mit Blick nach Österreich interessante – Maßnahme: 30 Prozent der Studienplätze sollten von Unis an Fachhochschulen verlagert werden. Das würde 1,5 Mrd. Euro bringen, so Zöllner. Mittelständische Unternehmen würden etwa solide nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft ausgebildete InformatikerInnen brauchen, die Soft- und Hardware der Firmen betreuen. „Das müssen keine WissenschafterInnen sein.“
Gebühren erheben?
Weitere Mittel würden durch die Überführung von außeruniversitären Einrichtungen – etwa fünfzig Prozent der Leibniz-Institute – an die Unis frei. Und schließlich, so Zöllner, sei nicht einzusehen, warum eine große Gruppe von ausländischen StudentInnen aus Nicht-Entwicklungsländern – etwa Chinesen – in Deutschland gratis studieren. „Wir finanzieren ihre Ausbildung, anschließend gehen sie zurück. Gleichzeitig sind wir dazu gezwungen, in China Darlehen aufzunehmen, um unsere Haushalte in Ordnung zu halten.“ Zöllner schlug daher vor, Gebühren für StudentInnen aus jenen Ländern einzuheben, die selbst deutsche Studierende zur Kasse bitten. Davon könnten zehn Prozent abgezweigt werden, um die besten StudentInnen dieser Länder mit Stipendien zu fördern.
Wissenschaftsgesellschaft und Verantwortung der Wissenschaft
Ebenfalls betont Zöllner die für die neuzeitliche Wissenschaftsgesellschaft zentrale Bedeutung der Wissenschaft in allen Lebensbereichen, wodurch sowohl der Schaffung von neuem Wissen als auch im Besonderen dem Wissenstransfer an Studenten wie Gesellschaft höchste Wichtigkeit zukomme. Daraus ergebe sich wiederum nicht nur eine Verpflichtung zur Förderung der Wissenschaft seitens der Politik, sondern auch eine besondere Verantwortung der Wissenschaft selbst für die Qualitätssicherung ihrer Forschung, da andernfalls die jahrhundertelange Erfolgsgeschichte der Wissenschaft in Gefahr laufe, zu Ende zu gehen und der Übergang von der Wissenschaftsgesellschaft zur sogenannten postfaktischen Gesellschaft zu befürchten sei.
Vortrag von Andrea Schenker-Wicki, Rektorin Universität Basel: „Die Universität im Spagat zwischen gesellschaftlichen Herausforderungen und knappen Ressourcen.“
Herausforderungen im Hochschulbereich
Andrea Schenker-Wicki spricht zunächst die aktuellen Herausforderungen im Hochschulbereich an: Ein enormes Wachstum des tertiären Bildungssektors, das teilweise sogar die Prognosen übertrifft, die allgemeine Globalisierung und Beschleunigung und die damit verbundene Zunahme der Menge des generierten Wissens bei gleichzeitig immer kürzerer Halbwertszeit, steigende Kosten vor allem in den Life Sciences, sowie die zunehmende Forderung nach gesellschaftlicher Relevanz und praktischer Anwendbarkeit von Forschung und Ausbildung. Gerade dieser gesellschaftliche Anspruch stünde oft im Widerspruch zu der Tatsache, dass aus wissenschaftlicher Perspektive gerade freie Forschungsförderung besonders erfolgreich und innovativ sei.
Entwicklung der Universität
Diesen Herausforderungen müsse begegnet werden durch eine Weiterentwicklung der Universität. Effizienzsteigerung sei hier besonders durch finanzielle Autonomie und Personalautonomie der Universitäten erreichbar, anzustreben sei eine Verbreiterung der Finanzierungsbasis ähnlich der Situation in den USA, wo bei Ähnlichem Drittmittelanteil Dienstleistungen 17% und Studiengebühren 22% der Finanzierungsstruktur der Universitäten ausmachen. Da der volkswirtschaftliche Zuwachs heute großteils durch Innovation geschaffen werde, müsse die Forderung von innovativer Forschung, die auch für den Staat von Vorteil ist, an den Universitäten zentral verankert werden. Auch die an die AbsolventInnen zu vermittelnden Kompetenzen müssten den geänderten Anforderungen angepasst werden, besonders wichtig seien hier Kreativität und Kontextualisierung bei der Anwendung des erworbenen Wissens im Prozess des lebenslangen Lernens.
Forschungsuniversität
Eine innovative, erfolgreiche Forschungsuniversität müsse sich diesen Aufgaben stellen und die Verantwortung ihrer zentralen gesellschaftliche Funktion als Bildungs- und Forschungseinrichtung wahrnehmen, um den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden und sowohl Vorbild in der Gesellschaft als auch für die Gesellschaft zu sein.
Von „Eliteuniversitäten“ und „Auswahlproblemen“
Ebenfalls skeptisch zu einer Übertragung der deutschen Hochschul-Exzellenzinitiative auf Österreich äußerte sich Jürgen Janger vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Einer der Kernpunkte, die Förderung von einzelnen Hochschulen als eine Art „Eliteuniversitäten“, würde zu einem „Auswahlproblem“ führen, so Janger.
Geringere Auswahlmöglichkeiten in Österreich
In Österreich seien die Auswahlmöglichkeiten nämlich wesentlich geringer. So gebe es etwa in Deutschland 107 Universitäten – dem stünden 22 in Österreich gegenüber, rechnete der Wifo-Forscher vor. Darunter seien sechs Kunstunis, eine Weiterbildungsuniversität, drei Medizinunis, die technischen Universitäten (TU) sowie Spezialuniversitäten mit Alleinstellungsmerkmal wie die Veterinärmedizinische Universität, die Universität für Bodenkultur, die Montanuniversität sowie die Wirtschaftsuniversität.
Nicht der Königsweg…
Dazu komme noch, dass die laut Rankings drei forschungsintensivsten Universitäten (Universität Wien, Medizinuni Wien, TU Wien) alle in der Bundeshauptstadt liegen, meinte Janger. Damit würden vermutlich sämtliche Mittel aus der Initiative nach Wien fließen. „Was werden die Landeshauptleute dazu sagen?“
Die Umlegung der deutschen Exzellenzinitiative auf Österreich sei daher „nicht der Königsweg“, so Janger. Es gebe eben einen Unterschied zwischen großen und kleinen Ländern. Effektiver könnten andere Modelle sein – etwa die Finanzierung von Gehältern exzellenter ProfessorInnen über einen Fonds.
Mangel an Geld war auch das Hauptthema der anschließenden Podiumsdiskussion. Christiane Spiel forderte die Teilenehmer auf die Unterfinanzierung der Universitäten auf einer Skala zwischen 1 (absolut zu wenig Geld) und 5 (ausreichend finanziert) zu beziffern.
Das Ergebnis das war aussagekräftig: Eine 1 nannten etwa Hannes Androsch, Vorsitzender des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, Karheinz Töchterle, Präsident der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, sowie Klement Tockner, Präsident des FWF. Elmar Pichl und Günther Burkert vom Wissenschaftsministerium nannten dagegen die Ziffern 4 bzw. 3.
Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes wiederum plädierte „aus Gerechtigkeitserwägungen“ generell für Studiengebühren. Es sei nicht einzusehen, warum die breite Mehrheit der Bevölkerung eines Landes die „durchaus teuren“ Hochschulen finanziere und kein Beitrag von jenen eingehoben werde, die aufgrund ihrer Ausbildung später mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gutes Einkommen erzielen.
„Wir müssen einen politischen Ho-ruck-Effekt zustande bringen“, sagte Elmar Pichl. Für viele der vorherrschenden Probleme seien längst Konzepte entwickelt, die aber seit Jahren nicht umgesetzt würden. Burkert gab zu bedenken, dass Drittmittelagenturen wenig Spielraum für risikofreudige Forschung ließen; so seien die meisten Nobelpreisträger nicht drittmittelfinanziert gewesen.
„Drittmittel sind Mittel, kein Ziel“, antwortete Klement Tockner, es müsste darauf geachtet werden, wie diese mit den generellen Zielen der Forschungseinrichtungen zusammenfallen. Auch er hob hervor, dass die Overheadmittel aus einzelnen Projekten die Forschungseinrichtungen insgesamt stärken können, damit diese ihr eigenes Förderungsportfolio risikoreicher gestalten könnten.
Klement Tockner kündigte gemeinsam mit dem Präsidenten der Österreichischen Universitätenkonferenz Oliver Vitouch (Universität Klagenfurt) am Montag auch eine neue „Allianz“ der österreichischen Forschungsinstitutionen an: Im Gründungskomitee seien neben dem FWF auch die Universitätenkonferenz, das IST Austria und die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
„Die Studienplatzfinanzierung ist das Gebot der Stunde“, sagte Karlheinz Töchterle. „Ich bewundere die Uni Wien, wie sie mit diesen Studierendenzahlen zurande kommt“, sprach sich der ehemalige Wissenschaftsminister für mehr Zugangsbeschränkungen aus. Zudem plädierte er dafür, mehr private Geldgeber für die Universitäten zuzulassen. „Man hat Prioritäten gesetzt, aber die falschen. Wir brauchen mehr Geld, aber auch eine andere Vergabe und weniger Bürokratie“, sagte Hannes Androsch. „Es ist alles gesagt, wir müssen es nur endlich umsetzen.“
Materialien:
- Grußadresse uniko
- Handouts Hannes Androsch (1) (2)
- Vortrag Andrea Schenker-Wicki
- Vortrag Jürgen Janger
- Presseerklärung
Presseecho:
APA-Science, 4.11.2016: Uni-Budget: Entscheidendes Problem ist Grundfinanzierung
Der Standard, 4.11.2016: Uni-Budget: Problem ist die Grundfinanzierung
Der Standard, 9. November 2016 (Printausgabe): Die diversen Spagate der Wissenschaftsfinanzierung