Faculty Modell – Vorsicht vor Etikettenschwindel: Offener Brief an BM Karl
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Karl,
Der UniversitätsprofessorenInnenverband begrüßt sämtliche Maßnahmen, die die Rahmenbedingungen für Forschung und Lehre an österreichischen Universitäten verbessern und somit zu einer Sicherung bzw. Steigerung der Qualität beitragen.
Es ist noch offen bis fraglich, ob das von Ihnen andiskutierte Faculty Modell österreichischer Prägung ein solcher Beitrag wäre. Jedenfalls verfehlt und unheilvoll wäre es, beim „Faculty-Modell“ einem billigen Fehlschluss aufzusitzen, der auf der scheinbaren Gleichheit von Begriffen aufbaut. Die Forderung nach einem Faculty-Modell auch in Österreich wird regelmäßig damit unterstützt, dass es auch in den USA ein Faculty-Modell gäbe und US-Universitäten seien doch bekanntlich sehr erfolgreich. Allerdings meinen die österr Proponenten etwas ganz anderes als das US-Modell. Sie meinen eine gemeinsame, organisationsrechtlich völlig gleichgestellte Gruppe aller wissenschaftlichen Universitätsbediensteten, die von den Nichthabilitierten, deren Vertrag eben erst entfristet wurde, bis zu Professoren, die sich in einem oder mehreren Berufungsverfahren durchsetzen konnten, alle umfasst.
Ein solches „Einheitsmodell“ gibt es aber in den USA keineswegs, insbesondere nicht an jenen Universitäten, die Vorbild sein könnten. Führende US Universitäten sind vielmehr extrem kompetitiv und leistungsorientiert. Schon daher gibt es dort keine einheitliche Faculty! Vielmehr werden meist drei Gruppen unterschieden, mit jeweils unterschiedlichen Rechten und Pflichten: „Regular Faculty“ (Full Professors) und „Junior Faculty“. Leztere sind Lehrende auf Tenure-Track-Stellen, mit Aussicht auf Übernahme in unbefristete Professorenstellen bei strengster internationaler Kompetition und Evaluierung, wobei durchgehende Karrieren an der gleichen Universität in der Regel unmöglich sind. Dies ist durchaus mit einem guten Berufungsverfahren vergleichbar. Die dritte Gruppe sind „Part – Time“ bzw. „Temporary Faculty“. Das sind Lehrende mit befristeten Verträgen, ohne „Tenure-Track“ und ohne Übernahme in unbefristete Professuren. Die Mitglieder dieser Gruppierungen heißen zwar alle „Faculty“, haben aber keinesfalls die gleiche Stellung und Rechte in der Organisation, vor allem ist es nicht möglich Entscheidungen zu beeinflussen, die über die eigene Ebene hinausgehen.
Man sollte Schlüsse nicht allein auf irreführenden Begriffsbildungen und –vertauschungen aufbauen. Solche Missverständnisse bei Übertragung von US-Regelungen gab es ja bereits bei Bachelor und Master. Manche meinten, dieselbe Bezeichnung bedeute schon den gleichen Inhalt. Der „Bologna-Bachelor“ hat mit den in den USA vergebenen Bachelor- Abschlüssen für „Liberal Arts“-Studien aber inhaltlich fast nichts zu tun, sodass von einer Übertragung oder Kompatibilität keine Rede sein kann. Schon hier traf der Schluss, der allein auf Bezeichnungsgleicheit ohne wirkliche Begriffsgleicheit aufbaute, natürlich nicht zu. Die Proteste gegen den Bologna-Bachelor in den letzten Monaten deuten darauf hin, dass das Europäische Modell, respektive die Umsetzung in Österreich und Deutschland, zumindest bisher nicht zu der verheißenen, bislang aber nicht wahrnehmbaren Qualitätssteigerung geführt hat.
Wir können nur hoffen, dass bei den Faculty-Modellen nicht dieselben Fehlschlüsse passieren. Sonst ist zu befürchten, dass der „Patient Universität“ bei gleichzeitiger Kürzung des bereits jetzt katastrophal niedrigen Universitätsbudgets in ein Koma fällt, aus dem er nur mehr schwer zu erwecken sein wird. Dies wäre für die Zukunft Österreichs eine schwere Bedrohung.
Anstatt Nebenschauplätze aufzumachen wäre es vordringlich die wirklichen Probleme der Universitäten glaubhaft anzugehen, wie Finanzierung und Zugangsregulierung.
Verband der Österreichischen Professorinnen und Professoren
Mitchel Ash*, Karl Crailsheim, Bernhard Keppler, Renee Laurer, Norbert Mauser, Robert Rebhahn, Christiane Spiel, Michael Wagner, Wolfgang Zach
*ist US-Amerikaner mit langjähriger Erfahrung im dortigen Hochschulsystem