Offener Brief an HBM Dr. Johannes Hahn
Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Johannes Hahn,
vor wenigen Jahren wurde ein neues Universitätsgesetz umgesetzt, welches von Experten des Auslandes als zukunftsweisend interpretiert wurde und für andere Gesetzesinitiativen beispielgebend war. Es ist deswegen befremdlich, mit welch großer Emotionalität Sonderrechte diverser Interessensgruppen in die Novelle des Universitätsgesetzes eingefordert werden. Unserem Verständnis nach sollten nur Adaptierungen vorgenommen werden, welche die Erreichung der universitären Ziele und Leistungen erleichtern sollen, jedoch nicht die Grundgedanken des Gesetzes ändern.
Vor allem erstaunt uns, dass gebetsmühlenartig Missstände, die die alten Universitätsgesetze geschaffen hatten, als Argumente gegen das neue Gesetz angeführt werden. Jedem, der über die Situation informiert ist, sollte klar sein, dass diese Argumente innerhalb von wenigen Jahren durch die neuen Strukturen, die die Reform geschaffen hat, obsolet werden. Bezüglich rückwirkender Missstände könnte es somit nur darum gehen, in einer Novelle Übergangsbestimmungen einzuführen, deren Detailausführung in das Ermessen der einzelnen Universitäten gelegt werden sollten um die vorliegenden Rahmenbedingungen entsprechend berücksichtigen zu können. Als Beispiel dafür lassen sich die immer noch in der Öffentlichkeit geführten sogenannten Kuriendiskussionen nennen, die noch auf das alte Gesetz zurückgehen, wogegen dieser Terminus im neuen Gesetz nicht mehr existiert.
Ein wesentliches Anliegen des UniversitätsprofessorInnenverbandes ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in einem so genannten Tenure Track-Modell. Dafür hat der UPV eine Verlängerung der §99-Professuren auf 6 Jahre vorgeschlagen, die nach einer 6-jährigen Postdoc-Zeit als das bisher im Gesetz fehlende Bindeglied in Richtung einer Full Professorship nach §98 dienen soll. Um die erforderlichen Qualitätsstandards zu sichern, welche die Basis für die Konkurrenzfähigkeit unserer Universitäten bilden, müsste mindestens einmal eine Bewerbung im Rahmen einer internationalen Konkurrenz erfolgen, Diese Regelung könnte auch dazu dienen, um Ao.ProfessorInnen aus dem alten Gesetz (gemäß solcher Standards) in die Gruppe der Professoren zu übernehmen. Aufgrund beamtenrechtlicher Probleme sollte hier den Universitäten, zeitlich begrenzt, eine große Freiheit für Sonderregelungen gewährt werden.
Im Regierungsübereinkommen findet sich der Satz: …Alle unbefristet auf Laufbahnstellen beschäftigten Wissenschafter/innen sollen eine Gruppe bilden….. Hierbei handelt es sich um eine durchaus vernünftige Forderung. Auf Laufbahnstellen befinden sich alle WissenschafterInnen, die prinzipiell noch die Karrieremöglichkeit haben, das Ziel einer Professur (full professor) zu erreichen. Hierzu zählen für eine gewisse Übergangszeit die Ao.ProfessorInnen, die noch nach dem alten Gesetz bestellt wurden. Weiterhin sollte man die PrivatdozentInnen und Postdoc-Stellen hinzuzählen, obwohl sie keinen unbefristeten Vertrag im klassischen Sinne, sondern höchstens eine Tenure Track-Perspektive haben können. Es ergäbe durchaus eine gewisse Logik, auch diese Laufbahnstellen in den entsprechenden Gremien parallel zu den ProfessorInnen, Staff Scientists und Studierenden als eigene Gruppe einzubinden.
In einem leistungsorientierten Gesetz kann jedoch die Mehrheit der berufenen ProfessorInnen in den entscheidenden universitären Gremien, wie Senat, Berufungskommission und Habilitationskommission nicht in Frage gestellt werden. Dies wäre international völlig unüblich, auch an den vielzitierten amerikanischen Universitäten ist es völlig unmöglich, richtungweisende Entscheidungen in der Universität, wie Berufungen, Vergabe von Tenure-Positionen, Verfahren zur Ermittlung des/r Rektors/in zu treffen, ohne dass die ProfessorInnen (full professors) das entscheidende Mitspracherecht haben. (Hier sei erwähnt, dass z.B. an der Universität Wien die Berufungsverfahren zur Sicherung der Qualität systematisch evaluiert werden bevor der Ruf erteilt wird.) Im Bereich der Berufungskommissionen und auch im Bereich der Habilitationskommissionen sollte gewährleistet sein, dass mindestens ¾ der Kommissionsmitglieder die entsprechende Qualifikation besitzen (qualifizierte Mitbestimmung), das heißt entweder berufen oder habilitiert sind. Es würde wohl auch niemand akzeptieren, dass bei einer Meisterprüfung nahezu 50% Lehrlinge und Gesellen mitbestimmen, die diese Qualifikation selbst noch nicht erreicht haben.
Die Forderung im Regierungsübereinkommen, dass Betriebsräte aktiv im Universitätsrat mitarbeiten, kann vom UPV unterstützt werden. Man könnte sich durchaus vorstellen, dass Anträge vom Betriebsrat im Universitätsrat behandelt werden müssen. Ein aktives Stimmrecht der Betriebsräte widerspricht jedoch dem Grundgedanken des Gesetzes – und ist auch im Regierungsübereinkommen nicht gefordert – da das neue UG zugrunde legt, dass der Universitätsrat, zumindest was das aktive Stimmrecht betrifft, eine rein außeruniversitäre Institution ist. Würde man dieses Prinzip durchbrechen, könnten mit gleichem Recht auch andere Gruppen Sitz und Stimme im Universitätsrat beanspruchen. Darüber hinaus ist es schon jetzt möglich, dass z.B. Betriebsratsmitglieder anderer Universitäten oder auch ehemalige Betriebsräte der eigenen Universität durch den Senat oder durch das Ministerium in den Universitätsrat nominiert werden.
Grundsätzlich plädiert der UPV dafür in der Grundphilosophie des Gesetzes Kommunikation und Wissenstransfer, Serviceorientierung (in der Administration), sowie Evaluation und Qualitätsmanagement als wichtige Grundpfeiler zu betonen.
Sehr geehrter Herr Minister, der Verband der Professorinnen und Professoren der österreichischen Universitäten hofft hiermit zur Versachlichung der Diskussion und zur konstruktiven Gestaltung der Novelle des Universitätsgesetzes beizutragen.
Beschlossen in der Delegiertenversammlung
des Verbandes der Österreichischen Professorinnen und Professoren vom 4. Juni 2008
Vorsitzender Bernhard Keppler